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Philipp Felsch / Frank Witzel: BRD Noir

„Seit einiger Zeit begegnet uns eine neue Faszination für die alte Bundesrepublik. Von ihrem biederen oder progressiven Charakter haben wir vielleicht genug gehört, daher tritt jetzt ein verstärktes Interesse an ihren Abgründen, am BRD Noir, hervor.“

Ausgehend von eigenen Lese- und Lebenserfahrungen blicken Philipp Felsch (Jahrgang 1972) und Frank Witzel (Jahrgang 1955) in diesem Gesprächsband auf die Epoche zwischen Nachkriegszeit und Wiedervereinigung zurück und verlassen dabei die ausgetretenen Wege, die nur die Blickrichtung auf die vermeintlich idyllische Wohlstandsgesellschaft mit Vollbeschäftigung und „Wetten, dass…“ kennen. Stattdessen nehmen sie den Abgrund, der hinter dem Alltag lauert und das Bizarre, das sich hinter dem Gewöhnlichen versteckt, ins Visier.

Der Eine hat im vergangen Jahr eine beeindruckende Dokumentation der „Revolution des Denkens“ über die Entwicklung und Geschichte der Theorieleidenschaft zu Beginn der 60er Jahre vorgelegt, der Andere hat zur gleichen Zeit den Deutschen Buchpreis für seinen formal und inhaltlich abenteuerlichen Roman erhalten, der exemplarisch für dieses neue Genre des BRD Noir steht. Wie die beiden Provinz, Kaffeetafeln, Bau riesiger Tennisplatzanlagen, Nato-Doppelbeschluss, Triebtäter, Terror und Fernsehabende mit Eduard Zimmermann mit der Rezeptionsgeschichte von Adornos Minima Moralia, Latenztheorie und dem ökonomischen Erfolg der Scherzartikelindustrie verquicken, ist in höchstem Maße unterhaltsam und erhellend.

Ich habe einen anregenden Nachmittag im Café mit diesen beiden intelligenten Mentalitätshistorikern verbracht und mich zuhause dann gleich auf den Roman von Frank Witzel gestürzt.

 

Empfohlen von Maja Kuß

Philipp Felsch / Frank Witzel: BRD Noir 

Seiten, ISBN: 978-3-95757-276-9, 12,00€, Matthes & Seitz Berlin

Erschienen am 21. März 2016  

 

Weitere Literatur:

Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte. C.H.Beck, 326 Seiten, € 24,95.

Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Matthes & Seitz, 817 Seiten, € 29,90.