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Naoise Dolan: Aufregende Zeiten

Als Ava im Alter von 22 Jahren von Irland nach Hongkong kommt, um als Sprachlehrerin zu arbeiten, hat sie keine Idee, was sie mit ihrem Leben anstellen soll. Doch dann trifft sie Julian, einen wohlhabenden Banker, und eine merkwürdig zynische, distanzierte Beziehung entsteht zwischen den beiden, die Ava dazu führt, ihre Ideale infrage zu stellen: »Bei ihm zu wohnen brach wahrscheinlich mit der kapitalistischen Vorstellung, dass ich nur einen Wert hatte, wenn ich meinen Lebensunterhalt selbst bestritt. Oder vielleicht machte es mich auch zu einer schlechten Feministin.«

Ob dem so ist, findet Ava erst heraus, als es vorbei ist: Als Julian die Stadt verlässt und sie eine Beziehung mit der Hongkonger Anwältin Edith beginnt, öffnet sich Ava eine bislang unbekannte Welt tiefer Gefühle …

Naoise Dolans Debütroman »Aufregende Zeiten« wird immer wieder mit Sally Rooneys »Normale Menschen« verglichen. Tatsächlich erinnert das leidenschaftliche Hin und Her zwischen den Figuren, das Thema unterschiedlicher sozialer Herkunft sowie das genaue Sezieren von Beziehungen und Emotionen an das große Erfolgsbuch aus Irland. Doch wo Rooneys Romanwelt oftmals ein moderenes Biedermeier ist, in dem Erzählinstanz und Charaktere in einem Raum agieren, der frei von jedem politischen Kontext ist, verhält es sich bei Dolan anders.

Gerade die Selbstbezogenheit von Dolans Figuren auf ihr Innenleben macht sie blind für die politische Wirklichkeit, in der Festlandchina die Sonderverwaltungszone Hongkong fest im Würgegriff hat. So ist »Aufregende Zeiten« nicht zuletzt ein ein hochpolitischer Roman, der eine dekadente englische Upper Class als stillschweigende Komplizin der chinesischen Diktatur vorführt. Ein aufregendes Leseerlebnis!

Empfohlen von Markus Felsmann

Naoise Dolan: Aufregende Zeiten

320 Seiten, ISBN 978-3-498-00217-6, Rowohlt, 20,00€

Erschienen: 23.03.2021