Empfehlungen

Colson Whitehead: Underground Railroad

Cora wurde bereits auf der Plantage geboren und kennt kein anderes Leben als das einer Baumwollpflückerin. Mit Inbrunst kämpft sie um ihren ca. 3 qm² großen Gemüsegarten, den bereits ihre Großmutter unterhielt. Sie muss ständig fürchten, dass ihr die anderen Sklaven diesen Rest Eigentum wegnehmen oder es aus Neid zerstören könnten. Coras Mutter ist schon lange weg – geflohen. Cora versteht nicht, warum sie zurückgelassen wurde, und gönnt ihrer verhassten Mutter dessen freies Leben in den Nordstaaten nicht. Aber nicht nur Coras Blick auf ihre Mutter ändert sich als eines Abends der Mitsklave Caesar sie zur gemeinsamen Flucht überreden möchte…

Colson Whiteheads Roman, der von einer erschreckenden Aktualität ist, spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bereits der Titel „Underground Railroad" bezieht sich allegorisch auf die damaligen Fluchtnetzwerke, die dazu dienten, Sklaven aus den Südstaaten in den bereits von der Sklaverei befreiten Norden zu schleusen. Wo die reelle Underground Railroad lediglich das Netzwerk beschreibt, hat Whitehead daraus eine untergründig verlaufende Eisenbahn gemacht, die Cora auf ihrer Flucht einige Male vor dem Sklavenjäger Ridgehead bewahren kann.

Die Geschichte, die Whitehead erschaffen hat, lebt von ihren authentischen und differenzierten Charakteren. Sei es Cora, deren Verfolgungsangst man durch einen klug aufgebauten Plot immer mehr selbst mitfühlt, Caesar, dem man am ersten Fluchtort das Gefühl von Sicherheit mit größter Innbrunst gönnt oder gar Ridgehead, dessen Entscheidungen man nie moralisch aber doch menschlich nachvollziehen kann. Obwohl Whitehead mit seinem Text nicht eins zu eins den geschichtlichen Begebenheiten folgt, schafft er durch seine fiktive, Zuflucht spendende Underground Railroad einen Hoffnungsträger, der Coras verzweifelte Flucht nur umso spannender gestaltet.

 

Empfohle von Karolina Jagodzinski 

Colson Whitehead: Underground Railroad

352 Seiten, ISBN: 9783446256552, Carl Hanser Verlag, 24,00€

Erschienen am 21. August 2017