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Susan Cheever: American Bloomsbury

Es ist mir eine besondere Freude, dieses Buch zu besprechen und – ausdrücklich – zu empfehlen. Erstens bin ich 1971 geboren (Sie werden später verstehen, warum das eine Rolle spielt), zweitens füllt dieses Buch eine große Lücke, und meine Aha-Momente nahmen kein Ende. Also, worum geht es in diesem süffig geschriebenen Sachbuch?

Erzählt wird von den Bewohnern des kleinen Ortes Concord, Massachusetts. Mitte des 19. Jahrhunderts versammelten sich um den charismatischen Ralph Waldo Emerson (und von ihm häufig finanziell unterstützt) eine beispiellose Künstlergruppe: Henry David Thoreau, Louisa May Alcott und Nathaniel Hawthorne, zu deren Bekanntenkreis wiederum so illustre Namen wie Hermann Melville, Walt Whitman und Edgar Allen Poe gehörten.

Diese Gruppe erzog ihre Kinder nach reformpädagogischen Grundsätzen, entwickelte feministische Ideen, aß vegetarisch, mied Alkohol (meistens), befruchtete sich intellektuell gegenseitig. Wem das nun zu puritanisch und spaßfrei daherkommt, dem sei versichert, dass die Lektüre alles andere als das ist: Da verliebt sich der Teenager Louisa May Alcott erst heftig in den verschrobenen, furchtbar hässlichen Thoreau, später in den wesentlich älteren Emerson, der wiederum in Leidenschaft zu der exzentrischen Margret Fuller entbrannt ist, genau wie Hawthorne. Letztere sehr zum Missfallen der beiden Gattinnen, die schließlich aufatmen, als Margret Fuller nach Europa abreist und dort in wilder Ehe (shocking!) mit einem italienischen Grafen lebt, der natürlich prompt von seiner Familie enterbt wird.

Sie sehen also, es passiert sehr viel und es geht nicht nur um literarisch-intellektuelle Diskurse! Ich habe mich glänzend unterhalten, war verblüfft über die räumliche „Ballung“ so großer Kaliber der amerikanischen Literatur und konnte, mein zugegebenermaßen romantisch verklärtes, Bild von Thoreau korrigieren (Er saß nämlich nicht monatelang in seiner spartanischen Blockhütte und hielt Zwiesprache mit der Natur. Nein! Die Hütte lag in Fussnähe zu Concord und er ging jeden Nachmittag zu seinen Freunden Kaffee trinken … ist das zu fassen!??). Aber wie auch immer, diese erste Hippie-Kommune überhaupt (jetzt kommt wieder mein Jahrgang ins Spiel) hat natürlich meine Sympathie und das Buch hat für ein gemütliches Osterwochenende auf dem Sofa gesorgt.

Was will man mehr?

 

Empfohlen von Kirsten Willeken

Susan Cheever: American Bloomsbury

287 Seiten, ISBN: 978-3-458-17707-4, 24,00€, Insel Verlag

Erschienen am 10. April 2017