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Nis-Momme Stockmann: Der Fuchs

Als die Welt untergeht, sitzt der 30-jährige Finn mit zwei Freunden auf dem Dach eines Hauses in Thule, seinem Heimatort. Und die Welt geht nicht im übertragenen Sinne unter, sondern ganz wortwörtlich. Eine große Flut hat alles unter sich begraben. Kadaver, Autos, Sonnenschirme, alles treibt gleichmütig an den Dreien auf dem Dach vorbei. Aber sie hören auch das Schreien verzweifelter Ertrinkender. So apokalyptisch die Szenerie anmutet, so hat der Leser doch den Eindruck, dass die Situation Finn nicht weiter überrascht. Eher scheint es so, als wäre die Welt unausweichlich auf diese Katastrophe zugesteuert, als sei alles immer schon dem Untergang geweiht gewesen.

Die Wassermassen betrachtend, erinnert sich Finn an seine Jugend in diesem entsetzlich langweiligen Kaff, wo nie etwas passiert und sich letztlich alle in ihrer Behäbigkeit gemütlich einrichten. Als Leser hat man allerdings weniger den Eindruck, dass dort nur die reine Mittelmäßigkeit wohnt. Im Gegenteil, es wird eher ein Kuriositätenkabinett der Käuze und Perversen geschildert. In diesem Panoptikum leidet der heranwachsende Finn an einer Mischung aus Selbstkasteiung und Hybris. Als er die zwölfjährige Katja kennenlernt, wird alles anders. Geheimnisvoll und undurchsichtig, aber auch charismatisch und furchtlos, beeindruckt sie den Jungen. Als „Geweihte“ in dem globalen Kampf von Gut und Böse, sieht sie in ihm einen Kampfgefährten. Und damit bricht, mit tödlicher Wucht, die Transzendenz in die Ödnis des Ortes ein. Es geht um einen abgetrennten Arm, einen Spalt zwischen den Welten, einen Fuchs, der zwischen ihnen wandeln kann … und um den Kampf babylonischer Götter.

Das ist dann meistens spätestens der Punkt, wo ich als Leser (des Klappentextes) das Buch für mich verwerfe. Transzendenz suche ich nicht in einem Roman und die babylonische Götterwelt ist mir zu phantastisch.

Und trotzdem kann ich nur raten, sich auf dieses ungewöhnliche Buch einzulassen. Überwinden Sie Ihre Vorbehalte! Dies ist einer der bizarrsten Romane, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Es wundert mich nicht, dass dieser Debütroman eines jungen Dramatikers sofort für den Leipziger Buchpreis nominiert wurde.  

 

Empfohlen von Kirsten Willeken

Nis-Momme Stockmann: Der Fuchs

720 Seiten, ISBN: 978-3-498-06153-1, 24,95€, Rowohlt 

Erschienen am 16. Februar 2016