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Meg Wolitzer: Was uns bleibt ist jetzt

Jam ist in Reeve verliebt, den englischen Austauschschüler an ihrer Schule. Ganze 41 Tage haben sie zusammen, bis er stirbt. Dieses Ereignis wirft Jam dermaßen aus der Bahn, dass ihre Eltern keine andere Möglichkeit sehen, als sie auf das Internat Wooden Barn zu schicken. Eine Schule, für Jugendliche mit Problemen wie ihrem. Für Jugendliche, die schreckliches erlebt haben. Der Unterricht soll ihnen helfen, zurück ins Leben zu finden. Jam will nicht dorthin, sie will trauern, sie will sich verkriechen, sie will leiden. Doch dann wird sie zu Mrs. Quenells Kurs "Ausgewählte Themen der Literaturgeschichte" eingeschrieben und plötzlich eröffnet sich ihr eine Möglichkeit, wieder glücklich zu sein.

 

Es gibt nur fünf Schüler in dieser Klasse, alle haben sie mit einem Trauma zu kämpfen. Doch die Tagebücher, in die sie zweimal die Woche schreiben sollen, befördern sie an einen Ort, an dem sie glücklich sind. An den Ort, kurz vor dem schrecklichen Ereignis, das sie erlebt haben. Sierra ist wieder mit ihrem kleinen Bruder zusamen, Jam wieder mit Reeve. Marc hat noch nicht seine Familie zerstört. Casey kann wieder laufen. Sie nennen diesen Ort Belzhar, sie sprechen heimlich darüber, sie fürchten sich vor dem Tag, an dem das Tagebuch voll ist. Sie rätseln, ob ihre Lehrerin Bescheid weiß. Und Stück für Stück merkt man, dass die Tagebücher, dass Belzhar, ihnen helfen/hilft. Es ist wie eine Therapie. Und so erfährt auch der Leser Stück für Stück, was mit Jam und Reeve passiert ist. Warum sie nicht darüber spricht, warum sie nicht loslassen kann. Jams wahre Geschichte zu hören, ist unglaublich, und man möchte sie gleichzeitig schütteln und in den Arm nehmen.

 

Ich hätte nicht gedacht, dass mich in diesem Roman fantastische Elemente erwarten, aber das tun sie. Belzhar ist ein magischer Ort. Vielleicht ist es nur Einbildung, denn die Körper der Jugendlichen bleiben in der Gegenwart und schreiben. Bei jedem Eintrag schreiben sie exakt fünf Seiten. Aber ihr Geist ist in dieser anderen Welt, in der Vergangenheit, und kann die Zeit mit den Personen und Dingen, die sie verloren haben, genießen. Aber sie stecken dort auch fest, es gibt keinen Fortschritt. Sie können nur das tun, was sie bis zu dem Tag des schrecklichen Ereignisses bereits getan haben. Sie können nichts verändern, sie können sich nicht entwickeln. Und vermutlich ist genau das die Therapie. Zu erkennen, dass sie auf der Stelle treten, wenn sie an dem Vergangen festhalten. Dass sie in Belzhar keine Zukunft haben, nur Vergangenheit. Zu erkennen, dass im wahren Leben viel mehr auf sie wartet.

 

Mir gefällt das Gesamtpaket dieses Romans. Die Informationen über Autorin Sylvia Plath und ihre Gedichte, die in diesem Roman eine große Rolle spielen. Die Erlebisse der Jugendlichen, die nach und nach erzählt werden. Belzhar, der geheimnisvolle Ort, an dem sie nicht trauern müssen. Jams Geschichte, die man erst ganz zum Schluss begreift. Die Freundschaft, die sich innerhalb der kleinen Gruppe entwickelt, die Beziehungen, die daraus hervorgehen. Trotz fantastischer Elemente hat man das Gefühl, dass diese Geschichte echt ist. Die Figuren, das, was sie erlebt haben, wie sie damit umgehen. Es sind Geschichten, die berühren, die sich nicht verkitscht und abgedroschen, sondern authentisch lesen. Mich hat "Was uns bleibt ist jetzt" eine Nacht lang an sich gebunden, ich konnte erst schlafen, als ich es ausgelesen hatte. Es ist ein unglaublich "intensiver" Roman, wie Jam es nennen würde.

 

Meg Wolitzer: Was uns bleibt ist jetzt. cbt. Euro 17,99. ab 14 Jahren

Empfohlen von Miriam Broicher