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Jonathan Franzen: Purity

Jonathan Franzen’s Purity (zu Deutsch „Unschuld“) beschreibt eine Handlung, die sich über mehrere Jahrzehnte spannt und eine Vielzahl an Schicksalen miteinander verknüpft. Die Geschichte beginnt bei Purity, die von allen nur Pip genannt wird. Pip hat viele Probleme, seien es zerrüttete Männergeschichten, ihre Unzufriedenheit über einen Job in der Telefonzentrale eines kleinen Start-ups, der ihr Gefühl verstärkt, dass das Leben im Grunde belanglos ist, oder schlussendlich ihre Studienschulden, aus denen sie sich aus eigener Kraft niemals wieder wird rausarbeiten können.

Ihre Haupt-Krux ist jedoch die Frage nach der Identität ihres Vaters, deren Antwort ihre anhängliche Mutter stur verweigert. Um das Geheimnis ihres Vaters zu lösen, geht Pip schließlich auf das Angebot eines Praktikums ein, das ihr die Deutsche Annegret unterbreitet. In der Hoffnung, eine Lösung für ihre Schulden und eine Antwort auf ihre Identitätsfrage zu finden, heuert Pip gegen den Willen ihrer Mutter im “Sunlight Project” des umstrittenen Whistleblowers Andreas Wolf an.

Wolf, geächtetes Kind eines Staatssekretärs der DDR, begeht sehr früh aus Liebe zur jungen Annagret ein Verbrechen. Als er auf den Amerikaner Tom Aberant trifft, der wiederum dem letzten Willen seiner Mutter entsprechend seine deutschen Wurzeln erkundet, vertraut Wolf sich diesem in einem intimen Moment an. Nachdem der Kontakt abbricht, lebt Wolf in der Angst, möglicherweise eines Tages von Aberant verraten zu werden. Um dies zu vermeiden braucht er Pip.

Franzen greift wie auch in seinen vorherigen Romanen die Schicksale seiner Charaktere auf und verflechtet sie gekonnt, bis sie sich zu einem Gesamtbild fügen. Purity, das die Schicksale dieser scheinbar unzusammenhängenden Charaktere erzählt, liest sich beinahe wie ein Kriminalroman, dessen Spannung sich erst am Ende entlädt. Franzen schafft es wieder mal, alle Charaktere so facettenreich und persönlich zu zeichnen, dass man jedem einzelnen seine Fehler und Vergehen gerne verzeihen möchte, weil man sie so gut nachvollziehen kann.

Die Geschichte um den Whistleblower Andreas Wolf, im Licht von Wikileaks und Datenschutz ein sehr aktuelles Thema, wird häufig als Parabel auf den Überwachungsstaat DDR verstanden. Dies ist nicht bestreitbar eine Interpretation, die sich anbietet, die für mich jedoch nicht im Vordergrund dieser Geschichte stand. Der leicht überzeichnete Andreas Wolf zerreißt bald in seiner Doppelrolle als Schuldiger und Ankläger und war für mich fast bis zum Ende der Schwachpunkt des Buches.

In meiner Empfindung ist Purity eine Geschichte von der Suche nach Liebe, die die Charaktere in Abhängigkeiten drängt, sie zur Manipulation anstiftet, und ihnen Verantwortungen aufbürdet, derer sie sich meist nicht annehmen wollen oder können. Eine intelligente Story, die viel Lesespaß bietet.

 

Empfohlen von Karo Jagodzinski

Jonathan Franzen: Purity

563 Seiten, ISBN: 9780374239213, 14,99€, Macmillan USA

Erschienen: 01. September 2015